Notes On Camp (Susan Sonntag)

From XPUB & Lens-Based wiki

In Kunst und Antikunst, S.322


Eine Variante des Intellektualismus

Eine Erlebnisweise mit Liebe zum Unnatürlichen, zur Übertreibung

Das Ernste ins Frivole verwandeln


„Natürlichkeit ist eine Pose, die sich schwer durchhalten lässt.“


1. die Welt als ästhetisches Phänomen zu betrachten, es geht nicht um Schönheit sondern um Kunstmäßigkeit / Stilisierung

2. unengagiert, unpolitisch

3. Camp ist nicht nur eine Sehweise, sondern auch eine Eigenschaft, die sich entdecken lässt

5. dekorative Kunst, die die Struktur, die von den Sinnen wahrgenommene Oberfläche, den Stil auf Kosten des Inhalts betont

6. Dinge, die , von einem „seriösen“ Standpunkt aus betrachtet, entweder minderwertige Kunst oder Kitsch sind.

7. Nichts in der Natur kann campy sein. Urbane Idylle.

8. Die Betrachtung der Welt unter dem Gesichtspunkt eines besonderen Stils. Die Liebe zum Übertriebenen, zum Übergeschnappten, zum alles-ist-was-es-nicht-ist. ZB Jungendstil

9. An Personen: das ausgeprägte Schlanke und das stark Überzogene. ANDROGYNITÄT. Das Schönste am männlichen Mann ist etwas Weibliches, das Schönste an einer weiblichen Frau ist etwas Männliches. Eine Vorliebe für die Übertreibung sexueller Merkmale und individueller Manierismen. Filmstars.

10. Camp in Personen oder Sachen wahrnehmen heißt die Existenz als das Spielen einer Rolle begreifen

12. Die Frage ist nicht: „Warum Travestie, Schauspielerei, Theater?“ Die Frage ist vielmehr: „Warum bekommt Travestie, Schauspielerei, Theater das besondere Aroma des Camp?“

13. Der Camp Geschmack von heute tilgt die Natur aus oder steht in offenem Widerspruch zu ihr. Sentimentales Verhältnis zur Vergangenheit.

14. Seit spätem 17.Jh und frühes 18.Jh – Periode mit ausgeprägtem Sinn für die Kunstmäßigkeit. Oberfläche, Symmetrie...

19. Fein ausgewogenes Verhältnis von Parodie und Selbstparodie

22. Camp ist entweder völlig naiv oder durch und durch bewusst

23. Das wesentliche Element im naiven oder reinen Camp ist eine Ernsthaftigkeit, die ihren Zweck verfehlt. Mit der richtigen Mischung von Übertreibung, Phantastik, Leidenschaftlichkeit und Naivität.

24. Wenn etwas einfach schlecht (statt Camp) ist, so oft deshalb, weil nicht genug Ehrgeiz in ihm steckt.

25. ...nicht nur im Stil des Werkes selbst, sondern auch in der Art des Ehrgeizes, der in ihm steckt.

26. Camp ist Kunst, die sich ernst gibt, aber durchaus nicht ernst genommen werden kann, weil sie zuviel ist.

32. Camp ist die Verherrlichung des „Charakters“. Greta Garbo: Die Unfähigkeit der Garbo als Schauspielerin erhöht ihre Schönheit. Sie ist in jedem Augenblick sie selbst.

33. Der Camp-Geschmack ist für den „momentanen Charakter“ empfänglich, nicht dagegen für die Entwicklung des Charakters. Charakter wird verstanden als ein Zustand kontinuierlicher Intensität. Dieses Verhältnis zum Charakter erklärt die Theatralisierung des Erfahrenen, die der Erlebnisweise des Camp eigen ist.

36. ... Etwas ist gut, nicht weil es vollendet ist, sondern weil damit eine neue Wahrheit über die Situation des Menschen, eine neue Erfahrung dessen, was es heißt Mensch zu sein – kurz eine neue Erlebnisweise aufgezeigt wird.

38. Camp ist die konsequent ästhetische Erfahrung der Welt. Es stellt den Sieg des Stils über den Inhalt das, des Ästhetischen über das Moralische, der Ironie über die Tragödie.

39. Camp und Tragödie sind Antithesen.

40. Stil ist alles. Wilde: „In Angelegenheiten von großer Wichtigkeit kommt es nicht auf den Ernst, sondern auf den Stil an.“

41. Der ganze Sinn des Camp liegt in der Entthronung des Ernstes. Camp ist spielerisch, anit-seriös. Camp zeichnet sich durch eine neue, komplexere Beziehung zum Ernsthaften aus. Man kann es ernst meinen mit dem Frivolen, frivol mit demErnsten.

45. Camp ist der moderne Dandyismus. Dandyismus im Zeitalter der Massenkultur. Kein Unterschied zwischen dem einzigartigen Gegenstand und dem Massengut.

46. Der Dandy alten Stils hasste das Vulgäre. Der Dandy neuen Stils, der Liebhaber des Camp, schätzt das Vulgäre. Wo der Dandy unentwegt abgestoßen oder gelangweilt sein würde, fühlt sich der Kenner des Camp unentwegt amüsiert, erfreut.

54. Die Camp Erfahrungen basieren auf der großen Entdeckung, dass die Erlebnisweise der hohen Kultur keinen Alleinanspruch auf Kultur hat. Camp erklärt, dass guter Geschmack nicht einfach guter Geschmack ist, ja, dass es einen guten Geschmack des schlechten Geschmacks gibt.

55. In erster Linie ist Camp eine Form des Genusses, der Aufgeschlossenheit – nicht aber des Wertens. Er genießt die kleinen Triumphe und die lästigen Heftigkeiten des Charakters, statt Urteile darüber zu fällen. Camp ist ein zärtliches Gefühl.