Die Diva (Elisabeth Bronfen)

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Queen, Dandy, Diva... (S.69)

Die Diva (auch Dandy und Kurtisone) als kulturelle Nachfolgerin der Königinnen (19Jh)

Doppelkörper der Königin: biologisch/realer Körper (body natural) und öffentlich/symbolischer Körper (body politic) - wie Schauspieler mit Requisiten der Theatralik und Kostümierung

Der Hof als Theater wo die Inszenierungen ebenso faszinieren wie intime Abgründe (wie soap opera) - durch Medien zugänglich, Ausstrahlungskraft durch clash zwischen öffentlichem und privatem Körper

Sie lebt öffentlich und intim

Die Fotografie als neues Medium fördert den Doppelkörper


Die Fotografie: der mediale Nährboden der Diva (S.70)

Die Cartes de visite kommt auf sowohl für Privatpersonen als auch für Berühmtheiten (auch zum Kauf) - es gibt eine große Nachfrage. Die Fotografie (Reproduktion) ermöglicht eine industrielle Herstellung der Cartes für ein Massenpublikum.

Das fotografische Bild erzeugt eine neue scheinbare Nähe zwischen dem Modell (zB dem Herrscher) und dem Betrachter. Durch die Fotografie und durch die publizierten Bilder entsteht der Status der Celebrity-Berühmtheit. Erst durch die Fotografie wird auch der Hochadel zur einer Art Celebrity. Die Personen werden verdinglicht und werden in die Sehnsüchte und Fantasien der Besitzer einverleibt. Fotografien sind eine Schnittstelle zwischen Öffentlich und Privat. Es ist das Medium der Inszenierung - das ist ein zentrales Thema der Diva.

Fiktiver Bildkörper vs Realer Körper

"... Ein anderes Selbst, einen Doppelgänger oder Schatten evozierend, suggerieren Hawardens Fotografien, dass es möglicherweise kein eindeutiges Selbst gibt, dass sich das Subjekt vielmehr durch die Unterwerfung unter eine Vielzahl von Rollen und Bildern konstituiert. Sie werfen die Frage auf, was es denn bedeuten könnte, eine Identität in Bezug auf kulturelle Bilder sowie auf den Prozess der Verbildlichung anzunehmen. Dabei bleibt in Hawardens Verhandlung dieser Frage unentschieden, ob sich das Subjekt in einer Pluralität von Maskeraden verflüssigt und sich immer nur in einem Spiegelkabinett multipler Rollen und Bildern wieder findet oder ob es sich um einen Kern menschlicher Essenz und transparenter Selbstidentität jenseits eines kulturellen Bildrepertoires organisiert..."


Tableau Vivant: Zwischen Bild und Körper (S.73)

Auch Diven eignen sich auf der Bühne und privat klassische Vorbilder an (zB Sphinx, Medea, Aphrodite)

Tableaux Vivantes - stellt bekannte historische oder literarische Szenen nach mit zweifacher Bildlichkeit: der fotografische Abbildung und der Inszenierung von kulturellen Bildern

"...Zwischen der belebenden Pose der Lady Hamilton und der paradoxen Abtötung durch das lebende Bild tut sich das Spannungsfeld auf, in dem sich die Diva bewegt. Die Bildwerdung ist ihre buchstäbliche Voraussetzung. Um sich ein Star-Image zu geben, muss die Diva eine Kunstfigur verkörpern, wobei sich diese - analog zu Lady Hamilton - von mytheopoetischen Figuren und einer Ikonographie von Rosen, Gebärden und Gesten nährt."

Im 18. Jh ändert sich der Schauspielstil - es gibt hier mehr Körpereinsatz.

Im 19. Jh geht die Allgemeinheit mehr in die bürgerliche Privatheit aber das Theater und die Oper boomt und die Hysterie (mit ihren großen, inszenierten Leidenschaften)

Die wichtigsten Bühnen des 19 Jh sind das Fotoatelier und die professionellen Theater. Die Hysterie gilt als Krankheit der Simulation in der die psychische Verletzungen in ein persönliches Drama emotionaler Gebärden umgewandelt werden. In der Salpetriere gibt es sogar eigene fotografische Abteilung dafür.

S.78 "Sowohl die Hysterikerin als auch die Diva spielen mit dem bedingungslosen Einsatz des Körpers und der leidenschaftlichen Gefühle. Bei beiden verwischt sich der Gegensatz von kodiertem Gefühl des fiktiven Körpers und authentischer Leidenschaft des realen Körpers. Authentizität und Vortäuschung sind somit weder bei der Diva noch bei der Hysterikerin sauber zu trennen."

Aber beide erleben auch reales Leid - Es gibt eine Wechselwirkung zwischen dem fiktiven und entleertem Kunstkörper, der überstülpt ist mit kulturell abgeleiteten Vorstellungen und Werten und der realen biologischen Substanz. "Die Leere des mythischen Zeichens wird durch das Nachdrängen der Referentialität ihrer gefährdeten Biographien wettgemacht. Ihr ständiges Hin und Her zwischen realem Körper und fiktivem Körper sowie die Unentscheidbarkeit von Selbst und Entfremdung stören jede vermeintlich transparente Beziehung der beiden Körper und verweisen somit auf einen unerreichbaren Kern, ein untilgbares Fremdes, kurz etwas, das in der mythischen Bildlichkeit (im fiktionalen Code) aufgeht, diese stört, ihr aber auch als Voraussetzung dient."


Der Dandy: Aristokratie des Geistes (S.79)

Dandy: taucht auch um 1800 auf, er verkörpert kein vererbte Aristokratie sondern eine selbst aufgebaute mit exklusivem Geschmack und subtilem Stil. Er entwirft ein öffentliches Image mit wenigen aber entscheidenden Zeichen, die von den Massen nicht nachzuahmen sind. Er ist auch wie die Diva abhängig von medialen Technologien der Massenkultur, besonders der Fotografie. Im 19. Jh nimmt die persönliche, visuelle Ausstrahlung dank der abnehmenden sozialen Hierarchien und der neu entstehenden Bildkultur einen zentralen Wert an. Mode und Lifestyle werden wichtig als Mittel des Selbstentwurfs. Der Dandy, als Bewunderer der Diva, wählt radikales Außenseitertum. Der Dandy will nur sich selbst gefallen, ist auf kein Gegenüber angewiesen - im Gegensatz zur Diva (weil er nicht so randständig? ist). S. 80 "Während die Hysterikerin und die Diva in ihren Inszenierungen ein kulturelles Bildrepertoire imitieren, huldigt der Dandy einem Kult des autopoetisch erschaffenen Selbst." Er hat eine bürgerliche Gegenposition, er brüskiert die Bourgeoisie und setzt sich über Normen und Regeln hinweg (ist aber im negativen Sinn auf Gesellschaft angewiesen). "Seine Absetzbewegung weg von der bürgerlichen Gesellschaft sowie die Exklusivität seiner Selbstdarstellung sind nur denkbar vor dem Hintergrund seiner ursprünglichen Zugehörigkeit zum gesellschaftlichen Feld. Das Dandytum bedingt nicht nur frei zur Verfügung stehende finanzielle Mittel. Es setzt zudem eine gewisse gesellschaftliche Position voraus, die dann in der exzentrischen Geste des Dandys verworfen werden kann. Beide Voraussetzungen sind Gründe, weshalb es nur männliche Dandys gibt: Frauen verfügen im 19 Jh. weder über eigene Vermögen noch über gefestigte Positionen, von denen sie sich ohne Gefahr für ihren Ruf distanzieren könnten. Die Außenseiterposition des Dandy ist also eine privilegierte. Sie ist vornehmlich im Begehren begründet, eine Position der exklusiven Überlegenheit und Arroganz einzunehmen." S.81 "Der Selbstentwurf des Dandys kann als solcher nicht scheitern, weil sich der Dandy zum reinen Zeichen stilisiert. Im Gegensatz zur Diva lässt er sich nicht ein auf das charismatische, aber auch gefährliche Schillern zwischen Bild und Körper, bzw zwischen mythischem Bildkörper und realem Körper der Leidenschaft. Er zelebriert im Gegenteil das Bild der Oberflächlichkeit. Aus diesem tilgt er potentielle Störfaktoren wie Körperlichkeit und die biographische Substanz." (Dorian Gray) Die Diva entsteht aus Leiden(schaft) und der Dandy aus Langeweile. "Während den Inszenierungen als Diva ein existentieller Kern innewohnt, drehen sich die Selbstinszenierungen des Dandys um die übersteigerte Lust am raffinierten Selbstentwurf. Der Dandy feiert die Selbstinszenierung, das Annehmen einer Pose als Kunstform, die sich als l´art pour l´art ausschließlich auf sich selbst bezieht

Nachfolgerin der Königinnen sind die Diva und die Kurtisane, die sich beide als ungekrönte Königinnen inszenieren. Ab dem 19. Jh sind kulturell zentrale Figuren nicht mehr die politischen Machtvollen - wegen des Persönlichkeitskultes, der in direktem Zusammenhang mit der Verbilldlichung steht. Dabei ist die Diva am faszinierendsten, weil sie hinter dem schillernden Starkörper einen realen Körper erahnen lässt (Verkreuzung realer/privater Körper), der über die angeeigneten Posen, Gesten und Rollen hinausgeht. Zweite Hälfte des 19.Jh. ist viktorianisch prüde und nüchtern im Adel. Die theatralischen Inszenierung verschieben sich auf andere kulturelle Felder wie die der Fotografie, Kunst, Film und Mode. S.84


Diva vs Celebrity Celebrity ist prominent durch medial verbreitetes Bild (Foto und TV), sie verkörpert die Beliebigkeit und Austauschbarkeit der neuen Berühmtheiten. Die Diva verkörpert große Leidenschaften und schillert zwischen symbolischem und realem Körper (stereotypen/partikularen), sich daran aufreibend.


Von der Diva zum Megastar - Cindy Sherman und Madonna S.195

Das Postmoderne Spiegelkabinett

"Natürlich geht es in der postmodernen Produktion von Starbildern vornehmlich um Oberflächen: um die bewusste und als solche auch kenntlich gemachte kommerzielle Herstellung und Manipulation des Stars, der seine Ausstrahlungskraft gerade dadurch gewinnt, dass er unentwegt auf andere Starkörper verweist, indem er sich von diesen absetzt und gleichzeitig auf sie zurückstrahlt. ... Der Star wurde von Anfang an als konstruierter Bildkörper gehandelt, doch im postmodernen Zeitalter ist der Aspekt des künstlich Hergestellten in den Vordergrund getreten. ... Die Aneignung des kulturellen Bildrepertoires der Starindustrie dient der eigenen Selbstinszenierung. Sie kann getrost die Maske der anderen annehmen, weil sie gerade nicht in der Widerspiegelung verschwindet." Der Körper hinter dem Bild ist aber nie ganz auszulöschen.