Einführung in soziologische Theorien der Gegenwart (Annette Treibel)

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Diskurstheorie, Disziplinargesellschaft und Gouvernementalität (Foucault) S.53

  • Diskurse sind gesellschaftliche Äußerungsformen, die sich in Sprache oder Schrift manifestieren. Ein Diskurs ist ein "gesprochenes oder geschriebenes Ding", dessen Wirkung jedoch über die bloße Manifestation in Rede oder Schrift hinausgeht. Diskurse entfalten eine Eigendynamik, können jedoch nicht frei fließen. Sie sind durch die jeweiligen gesellschaftlichen Bedingungen geregelt. Für Foucault ist weniger die Person als Urheberin von Diskursen, als vielmehr die Funktion der Diskurse interessant, an denen eine Person teilnimmt.
  • "Die traditionelle Soziologie, die Soziologie von der Art Durkheims stellte das Problem eher so dar: Wie kann eine Gesellschaft Individuen zusammenhalten) (...) Mich interessierte das ziemlich entgegengesetzte Problem oder, wenn Sie so wollen, die entgegengesetzte Antwort zu diesem Problem, nämlich: durch welches Ausschließungssystem, durch wessen Ausmerzung, durch die Ziehung welcher Scheidelinien, durch welches Spiel von Negation und Ausgrenzung kann eine Gesellschaft beginnen zu funktionieren? (S.62)
  • Machtbeziehungen und Bio-Politik

Macht ist für Foucault eine Wechselbeziehung bwz Interaktion zwischen verschiedenen Akteuren, wobei absolute Herrschaft kein Machtverhältnis sei:" Sklaverei ist kein Machtverhältnis, wenn der Mensch in Eisen gekettet ist (da handelt es sich um physisches Zwangsverhältnis), sondern dann, wenn er sich bewegen und im Grenzfall entweichen kann." Den Begriff der Macht als solchen vermeidet Foucault. Er spricht eher von Machtverhältnissen oder von Machtbeziehungen. Macht und Herrschaft sind fr Foucault nicht gleichzusetzen. Eine Machtbeziehung ist dann gegeben, wenn das "Objekt" der Machtausübung eine Reaktionmöglichkeit hat und hierdurch Einfluss auf die Machtbeziehung nehmen kann. (S.65)

--> Macht im Verständnis von Foucault ist eine Wechselbeziehung zwischen einzelnen oder mehrerer Personen, wobei die Mächtigere Person auf das Verhalten der weniger mächtigen Person verändernd einwirkt. Letztere ist jedoch nicht zwangsläufig ohnmächtig, sondern kann ihrerseits auf den oder die Mächtigeren Einfluss nehmen. Einen Begriff wie Machthaber würde F. ablehnen, da er Macht verdingliche. Macht versteht F. immer als Machtbeziehung.


Bio-Politik zielt auf das Leben. Immer dann, wenn staatliche Instanzen offensichtlich, aber auch verdeckt in die Art und Weise eingreifen, wie Menschen ihre Sexualität, ihre Fortpflanzung, ihre Gesundheitsfürsorge gestalteten, handelt es sich um Bio-Politik. Bio-Politik ist eine lebensbezogene Macht, die dem Einblick der Bevölkerung weitgehend entzogen ist. (S.66)


Ein Dispositiv ist ein Regelwerk oder Verfahren, da von den gesellschaftlichen Akteuren - häufig unbewusst - angewandt wird. So analysiert Foucault das Geständnis als ein "komplexes Dispositiv", das in die Pädagogik , in die Familie, in die Medizin und die Psychatrie eingewandert ist. Dispositive sind Regularien aber keine Gesetze. Wissen und Macht sind Dispositive, aber sie funktionieren nicht als bloße Unterdrückung. (S.68)

Sexualität und Macht gehören für Foucault in einen historischen und perspektivischen Zusammenhang. Es ist nicht erstere gut, weil stets unterdrückt, und zweitere schlecht, weil unterdrückend. Plakativ formuliert F. sein übergeordnetes Ziel: "Den Sex ohne das Gesetz und die Macht ohne den König zu denken."

Gebrauch der Lüste: Veränderung des Verhältnisses von Erotik und Moral im historischen Verlauf


Für Foucault führen diejenigen Menschen ... eine verantwortungsvolle Existenz, die sich ethisch reflektieren und ästhetisch gestalten. Dies ist eine Frage der Einsicht. aber auch der Übung im Umgang mit sich selbst und mit anderen: "Diese Selbstkunst...hebt die Wichtigkeit hervor, alle Praktiken und alle Übungen zu entwickeln, durch die man die Kontrolle über sich bewahren und am Ende zu einem reinen Genuss seiner selbst gelangen kann. Am Ursprung dieser Modifikationen in der Sexualmoral steht nicht die Verschärfung der Verbotsformen, sondern die Entwicklung einer Kunst der Existenz, die um die Frage nach sich kreist, nach seiner Abhängigkeit und Unabhängigkeit, nach seiner allgemeinen Form und nach dem Band, das man zu anderen knüpfen kann und muss, nach den Prozeduren, durch die man Kontrolle über sich ausübt, und nach der Weise, in der man die volle Souveränität über sich herstellen kann." (S.70)